Den Löwen verteidigen?

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Einen Löwen verteidigen?

Ein Mann forderte einen christlichen Prediger bei einem Gottesdienst auf offener Straße heraus: 
- „Wie wollen Sie in der heutigen Zeit die Bibel verteidigen?“
Darauf erwiderte der Prediger:
- „Wie würden Sie einen Löwen verteidigen? Am besten öffnen Sie die Käfigtür, den Rest besorgt der Löwe selber.“

Um ehrlich zu sein, die Geschichte ist nicht ganz neu, sie geht weit über 100 Jahre zurück. Aber der Inhalt ist trotzdem noch aktuell. Die Bibel hat auch heute noch eine schlechte Presse – aber wenn wir die Käfigtür öffnen, sprich, die Bibel für sich sprechen lassen, kann sie eine Dynamik entwickeln, die unsere festgelegten Meinungen über den Haufen werfen.

Wollen Sie dieses Risiko eingehen? Es fragt sich nur, wie? 

Einstieg gesucht

Wer ein Buch lesen will, beginnt meist am Anfang und arbeitet sich durch. Oft sind die ersten fünfzig Seiten eine Geduldsprobe, bis die Handlung richtig in Gang kommt. Aber dann drehen sich die Seiten fast von selbst und die Handlung rast wie im Flug. 
Es gibt aber auch ungeduldige Zeitgenossen, die gleich mit der letzten Seite beginnen, weil sie wissen wollen, wie die Geschichte am Ende ausgeht. 
Bei der Bibel ist beides nur bedingt zu empfehlen. Wer gewissenhaft von vorne durchliest, erfährt zunächst von der Frühgeschichte der Israeliten, und das liest sich gut, zum Teil sogar abenteuerlich. Aber dann kommt eine lange Abfolge von Gesetzen und Vorschriften, die viel Ausdauer verlangen. Und wer gleich auf die letzten Seiten spickt, findet Texte, die einen gewissen Informationshintergrund benötigen.
Fangen Sie doch gleich in der Mitte an! Das ist gar nicht so abwegig, wie es sich anhört. Die Bibel ist eine Sammlung von vielen »Büchern«. Im Prinzip könnte jedes Buch einzeln veröffentlicht werden – und folglich kann jedes Buch für sich gelesen werden. Am Anfang sollte deshalb die Frage stehen, für welche Inhalte Sie sich am meisten interessieren. 
Oder sind Sie eher neugierig zu erfahren, worum es überhaupt in der Bibel geht? Möchten Sie herausfinden, warum die Bibel auch heute für viele Menschen ein sehr wichtiges Buch ist?
Um diesen Fragen nachzugehen, möchte ich ein Vorgehen mit fünf Phasen anregen:

1. Erste Entdeckungen
Jesus von Nazareth ist die zentrale Person in der Bibel, zumindest für Christen. Deshalb ist es sinnvoll, am Anfang die Bücher zu lesen, die sein Leben schildern. 
 Das Evangelium nach Lukas ist eine besonders vielseitige Biographie. Am Anfang steht seine Geburt (die bekannte Weihnachtsgeschichte) mit einigen sehr aufschlußreichen Stellungnahmen. Dann folgen weitere biographische Einzelheiten, Schilderungen von übernatürlichen Wundern sowie öffentlichen und privaten Vorträgen. In den letzten drei »Kapiteln« werden seine Hinrichtung und Auferstehung geschildert (die Ostergeschichte). 
 Die anderen Evangelien (Matthäus, Markus und Johannes) behandeln die gleiche Thematik aus verschiedenen Perspektiven. Der Stoff ist aber spannend genug, daß auch diese Lektüre recht interessant ist. 
 Als nächste Lektüre empfiehlt sich die Apostelgeschichte – hier erfahren wir, wie die ersten christlichen Kirchen entstanden und wie die Botschaft sich ausbreitete. 

2. Dichtung oder Wahrheit?
Wer in der Bibel liest, steht von Anfang an vor der Frage, ob alles wirklich stimmt, was da berichtet wird. Trugen sich die Wunder wirklich so zu, wie sie geschildert werden? Hatte Jesus wirklich eine so enge Beziehung zu Gott? Hat Gott wirklich direkt zu den Menschen gesprochen? Wurden Menschen wirklich so stark durch den Glauben an Gott verändert? Ist es möglich, auch heute eine solche Beziehung zu Gott zu erfahren, und sind ähnliche Änderungen auch heute möglich?
 Es ist schwer, diese Fragen neutral zu betrachten. Von allen Seiten stürmen vorgefaßte Meinungen auf uns ein. Die einen meinen, der Glaube sei ein Relikt aus früheren Zeiten und der moderne Mensch habe so etwas nicht mehr nötig. Andere meinen, man müsse jeden Zweifel unterdrücken und alles vorbehaltlos annehmen. 
 Manche fahren schwere Geschütze auf, möchten uns mit Fakten und Argumenten erschlagen und jede Widerrede im Keim ersticken. Aber ist Wahrheit eine Frage der Rhetorik? 
 Bemerkenswert ist, daß Jesus sich nicht in erster Linie an die Experten wandte. Er lieferte sich zwar manches Wortgefecht mit den Intellektuellen, aber in der Hauptsache wandte er sich an ganz normale Menschen. 
 Jesus selbst stellte einen etwas ungewohnten Maßstab für die Wahrheit auf: »Wer bereit ist, nach Gottes Willen zu handeln, der wird es merken, ob meine Worte von Gott stammen.« (Johannes 7:17)
 Wenn dieses Prinzip stimmt, dann muß jeder eine persönliche Entscheidung treffen, ob er/sie die Botschaft der Bibel für Dichtung oder Wahrheit hält. Wer diese Frage im Sinne des Erfinders prüfen möchte, muß bereit sein, auch sein/ihr Leben zu ändern. Dadurch wird die Bibel zu einem »interaktiven« Leseerlebnis, denn jeder wird selbst zu einem Teil der Botschaft. 
 Das bedeutet nicht, daß dieser Entschluß unter Zeitdruck fallen muß. Manche Menschen sind schon von der Wahrheit der Botschaft überzeugt, bevor sie sich intensiv mit der Bibel beschäftigen. Andere brauchen eine längere Zeit der Prüfung, bevor sie zu einem Urteil gelangen. 
 Deshalb kann diese Frage nur bedingt als »Phase« des Einstiegs in das Bibellesen betrachtet werden. Wenn Sie noch Zeit und weitere Informationen brauchen, bevor Sie sich festlegen, können Sie getrost zu den weiteren »Phasen« übergehen und die Frage zunächst beiseite lassen, ob die Bibel Dichtung oder Wahrheit ist.
 Falls die Botschaft der Bibel wirklich stimmt, stehen Sie ohnehin nicht allein mit dieser Frage – Gott hat selbst ein Interesse daran, daß Sie zu einer Antwort kommen. Er ist gerne bereit, dabei zu helfen – er will nur gefragt werden.

3. Der große Überblick
Wenn Sie die zentralen Ereignisse um Jesus und die ersten christlichen Gemeinden kennengelernt haben, lohnt es sich, dieses Bild durch weitere Kenntnisse zu ergänzen. 
 Ein weites Feld für solche Ergänzungen ist die Vorgeschichte: Welche Erfahrungen mit Gott gab es vorher in der Nation Israel? Ein guter Einstieg ist die Lektüre der ersten zwei Bücher (Genesis und Exodus, bzw. 1. und 2. Mose). Wenn Sie eine moderne Bibelübersetzung benutzen, ist die Lektüre flott und spannend. 
 Die frühe Zeit des Volkes im eigenen Land ist auch eine lohnende Lektüre. Diese Zeit und die folgende Entwicklung wird in den Geschichtsbüchern geschildert. Der Inhalt dieser Bücher wird in Kapitel 4 zusammengefaßt. Um das Bild der Entwicklung Israels vor der Zeit Jesu abzurunden, sind auch die Lehr- und Gedichtsbücher und die Prophetenbücher eine lohnende Lektüre.
 Zur besseren Übersicht über die frühe Zeit des Christentums im Neuen Testament ist es sinnvoll, einige der Briefe an die frühen Christen zu lesen, z.B. Epheser, Kolosser sowie den 1. Johannesbrief und den 1. Petrusbrief. 
 In dieser Phase kann es eine Hilfe sein, nach einem Bibelleseplan zu lesen. Es gibt eine Reihe solcher Pläne, die z.T. auch Erläuterungen zu den Texten bieten.

4. Verknüpfungen
Trotz der großen Bandbreite an Autoren der einzelnen biblischen Bücher gibt es Themen, die in verschiedenen Büchern vorkommen. In solchen Fällen ist es sehr hilfreich, die verschiedenen Schilderungen nacheinander zu lesen und dadurch ein breiteres Verständnis dieser Themen zu gewinnen. 
 Anstatt eine lange Erläuterung solcher Fälle anzubieten, möchte ich hier nur einige Beispiele mit Fundstellen angeben. Ich möchte Ihnen ja nicht den Reiz nehmen, diese Themen selbst zu entdecken.
 Karfreitag/Ostern: Psalm 22; Jesaja 53; Johannes 10:17-18; Lukas 22-24; Apostelgeschichte 2:22-36; 1. Korinther 15:1-22.
 Beziehung mit Gott: Exodus 33:10-17; Psalm 23; Jeremia 31:31-34; Johannes 10:11-16; Johannes 14:15-24; Römer 8:26-30; 1. Johannesbrief 4:7-21.
 Gemeinde in Ephesus: Apostelgeschichte 18:24-19:40;1. Korinther 15:32; 16:8-9; Epheserbrief; Offenbarung 2:1-7.
 Um weitere Themen durch die Bibel zu verfolgen, können Sie verschiedene Hilfsmittel anwenden, z.B. eine Konkordanz oder eine Bibel mit Querverweisen. 

5. Tiefer einsteigen
Es gibt eine große Auswahl von weiterführenden Büchern über die Bibel: Fachlexika, Kommentare mit Interpretationen über biblische Texte, Bildbände, Atlanten und vieles mehr. 
 Es gibt auch eine große Bandbreite von Ausbildungsstätten, die vertiefenden Unterricht über biblische Themen anbieten. Am bekanntesten sind die theologischen Fakultäten der Universitäten (mit allen Vor- und Nachteilen). Ferner gibt es viele Bibelschulen und andere Ausbildungsstätten, die verschiedene Kurse anbieten. 
 Die Auswahl an Hilfsmitteln und Kursen ist so groß, daß es auf Anhieb nicht ganz leicht ist, sich zurechtzufinden.